NACH OBEN

Sacred Secular (Thyssen-Projekt)

Sacred Secular


Seit Februar 2023 wird das Projekt „Religiöses Säkulares in französischen und deutschen Texten des 12. Jahrhunderts // Sacred Secular. Religion and Secularity in French and German literature of the 12th century“ von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Es ist zu gleichen Teilen an der RUB und am King’s College London verankert.
 

Projektleiterinnen: Sarah Bowden (KCL), Susanne A. Friede (RUB)
Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen: Marc Schäfer (RUB), Janine Schmitz (KCL, ab 01.09.23)

Die mittelalterliche europäische Literatur wird üblicherweise in ‚geistliche‘ und ‚weltliche‘ Literatur unterteilt. Der Kategorie des ‚Säkularen‘ werden dabei Werke zugeordnet, die nicht explizit religiöse Inhalte, Erzählungen und Praktiken zum Gegenstand haben. Eine Unterscheidung zwischen den Kategorien des ‚Religiösen‘ und des ‚Säkularen‘ ist jedoch für die mittelalterliche volkssprachliche Literatur in ihrer Abgrenzung niemals trennscharf, weil auch mittelalterliche säkulare Literatur, also Literatur diesseits von religiösen Gebrauchstexten oder theologischen Fachtexten, in ihrem Produktions- und Rezeptionskontext unhintergehbar durch den christlichen Glauben geprägt war und im Rahmen des christlichen Weltbildes immer auch mit dem Religiösen im dialogischen Kontakt stand.

Das skizzierte Projekt will die Kategorien ‚religiös‘ und ‚säkular‘ in den Blick nehmen und ebenso Synergien und Differenzen zwischen der literarischen Produktion in Deutschland und Frankreich in Zeiten kulturellen und religiösen Wandels erforschen und komparatistisch kontextualisieren.

Im Zentrum des Projekts steht eine umfassende komparatistische Untersuchung der Frage, wie Erzähltexte des langen 12. Jahrhunderts mit religiösen Inhalten, Glaubenspraktiken und heilsgeschichtlichen Meta-Narrationen umgehen, wobei sich erzählerische Möglichkeiten, normative Rahmungen und spezifische Funktionsweisen narrativer volkssprachlicher Literatur als solche neu bedenken lassen. Mit einem komparatistischen Fokus erforschen wir, auf welche Art und Weise sich auch und gerade säkulare literarische Texte mit Glaubensinhalten und religiösen Praktiken auseinandersetzen. Religiöse Phänomene in literarischen Texten werden zunächst ‚für sich selbst genommen‘ betrachtet, um zu verstehen, wie sie unterschiedliche Formen der Bedeutung und Handlungsleitung generieren.

Mögliche kulturwissenschaftliche Ansätze (die je nach beteiligten Disziplinen und Forschungskulturen weiter ausdifferenziert werden) sind: ein close reading philologischer Prägung entsprechend der Fragestellung; exemplarische Untersuchungen eines möglichen religiösen framings an einzelnen Texten, Handschriften und mit Blick auf einzeln überlieferte Versionen (scheinbar) kanonischer Texte; Methoden der historischen Narratologie; die Analyse intertextueller und interdiskursiver Beziehungen zwischen literarischen Texten und religiös-didaktischen, biblischen oder theologischen lateinischen und volkssprachlichen Texten, und als wesentlicher methodischer Ansatz eine praxeologische Perspektive auf das gewählte Korpus.

Das Projekt ist in drei Felder unterteilt: Feld A untersucht auf phänomenologisch-theoretischer Basis die Möglichkeiten der Behandlung und Vermittlung religiöser Inhalte und religiöser Differenz in säkularen literarischen Texten. Feld B analysiert integrativ die zentralen Kategorien von Zeit und Raum, insofern sich in ihnen die Fluidität der nur heuristisch zu trennenden Kategorien des ‚Religiösen‘ und ‚Säkularen‘ in exemplarischer Weise manifestiert. Feld C erforscht, wie sich die fließenden und einander überlappenden Relationen zwischen dem Religiösen, dem Heiligen und dem Säkularen in Gegenständen und deren agency und Performanz manifestieren bzw. ‚verkörpert‘ werden, wie die komplexe Poetik der Texte dazu in Beziehung steht und wie sich der Ergebnisse auf religiöse oder säkulare lebensweltliche Praktiken beziehen lassen.

Sarah Bowden/Lea Braun/George Young (Hgg.), Narrating Time in the Twelfth Century. Sonderheft der Interfaces: A Journal of Medieval European Literatures 10 (2023).

 

Sarah Bowden/Susanne A. Friede/Andreas Hammer (Hgg.), Sacred Space and Place in Arthurian Romance. Arthurian Literature XXXVI, Woodbridge 2021.

 

Susanne A. Friede (Hg.), Autour du Graal. Questions d’approche(s), Paris 2020.
 

Sarah Bowden/Annette Volfing (Hgg.), Punishment and Penitential Practices in Medieval German Writing, Woodbridge 2018.
 

Susanne A. Friede/Michael Schwarze (Hgg.), Autorschaft und Autorität in den romanischen Literaturen des Mittelalters, Berlin 2015.
 

Sarah Bowden, Bridal-quest Epics in Medieval Germany: A Revisionary Approach, London 2012.
 

Susanne A. Friede, Die Wahrnehmung des Wunderbaren. Der Roman d’Alexandre im Kontext der französischen Literatur des 12. Jahrhunderts, Tübingen 2003.
 

Sarah Bowden, „Das Beichtwunder Karls des Großen“, in: Elke Koch/Nina Nowakowska/Julia Weitbrecht (Hgg.), Konfigurationen des Wunders. Texte, Praktiken und Funktionen in Spätantike, Mittelalter und Früher Neuzeit (erscheint 2023).
 

Marc Schäfer, „Beweisverfahren im ,saintisme sermon‘ – Selbstautorisierung und Inspiration in der Chanson d‘Antioche“, in: Germanisch-Romanische Monatsschrift 73 (2023), 21-46.
 

Sarah Bowden, „Spaces of remorse: penitential allusions in Iwein“, in: Arthurian Literature 36 (2021), 105–24.
 

Susanne A. Friede, „Das umkämpfte Jahrzehnt. Narrative Strategien der Polemik in französischen Texten von 1175 bis 1185“, in: Anna Kathrin Bleuler/Manfred Kern (Hgg.), Poesie des Widerstreits. Etablierung und Polemik in den Literaturen des Mittelalters, Heidelberg, 2020, 53-70.
 

Susanne A. Friede, „Un Évangile du graal? Réflexions intergénériques face à quelques romans du graal (Conte du Graal, Première Continuation, Roman de l’Estoire dou Graal)“, in: Catalina Girbea et al. (Hgg.), Miroirs arthuriens entre image et mirage. Actes du XXIVe congrès international de la Société Internationale Arthurienne (Bucarest, 20–27 juillet 2014), Turnhout, Brepols 2019, 87-107.
 

Susanne A. Friede, „Spiritualität und Sinnstiftung in der Queste del saint Graal“, in: Brigitte Burrichter/Matthias Däumer (Hgg.), Aktuelle Tendenzen der Artusforschung, Berlin 2013, 261-277.
 

Sarah Bowden, „A False Dawn: the Grippia Episode in Three Versions of Herzog Ernst“, in: Oxford German Studies 41 (2012), 15–31.

05.05.2023: Workshop mit Bent Gebert (Konstanz) zum Thema „Religiöse Codierung als Forschungsproblem in der Mediävistik“ an der RUB

23.09.23: Doppelvortrag von Sarah Bowden und Susanne A. Friede  bei der Tagung „Schreckliche Sehnsucht. Apokalyptisches Erzählen in der Vormoderne“ unter der Leitung von Lea Braun (Berlin) und Sarah Lehner (Wien)

08./09.12.2023: 1. Workshop der Arbeitsgruppe an der RUB
 

Dez. 2023: Erscheinen eines Sonderhefts zu Interfaces: A Journal of Medieval European Literatures mit dem Titel Narrating Time in the Twelfth Century (Mitherausgabe Sarah Bowden)
 

20.06.2024: Doktorandenworkshop am KCL zum Thema „Consent in Global Late Antique and Middle Ages“

21.-22.06. 2024: 2. Workshop der Arbeitsgruppe am KCL
 

01.07.2024: Organisation einer Sektion im Rahmen des International Medieval Congress in Leeds durch Sarah Bowden (Teilnahme Marc Schäfer). Thema: „Landscapes of Sanctity“

15.07.2024: Das Projektteam organisiert ein Panel mit dem Thema „Sacred Secular Objects“ auf dem Kongress der Internationalen Artusgesellschaft