Mit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte die Ruhr-Universität nach dem ersten Vierteljahrhundert ihrer Existenz ihre ursprünglichen Ausbauziele erreicht und, hinsichtlich der Studierendenzahlen, sogar deutlich überschritten. Dies galt auch für das Romanische Seminar. Die anhaltende strukturelle Krise — nicht nur — des Ruhrgebiets hatte jedoch zur Folge, dass auf diese Situation auch im universitären Bereich weit mehr mit einer Abfolge von Einspar- als mit wünschenswerten weiteren Ausbaumaßnahmen reagiert werden musste. Trotzdem fehlte es nicht an Bemühungen aller Beteiligten, die, wie es hieß, "Studierendenberge" in noch zu verantwortender Weise zu "überwinden" oder zu "untertunneln" und so die Forschungs- und Studienbedingungen auch am Bochumer Romanischen Seminar national und international konkurrenzfähig zu erstalten und weiter auszubauen.
Ausdifferenzierung der romanistischen Teilfächer
Der "Wind der Veränderungen" erfasste aber nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren Strukturen des Romanistikstudiums, die, in den 80er Jahren initiiert, zu einer Vielzahl von Reformbemühungen führten, die sich im Sinne einer "alma mater semper reformanda" bis in unsere unmittelbare Gegenwart erstrecken.
Die Veränderungen zeigen sich zunächst daran, dass sich die herkömmliche umfassende wissenschaftliche Disziplin der — typisch deutschen — "Romanistik" in der Forschung, insbesondere aber in der Lehre immer deutlicher in die philologischen Einzeldisziplinen auszudifferenzieren und den einzelnen Professuren als eindeutige Schwerpunkte zuzuordnen begann. Die Bochumer Romanische Seminar hat sich dabei auf die drei "großen Fächer" Galloromanistik ("Französisch"), Hispanistik ("Spanisch") und Italienistik konzentriert, sich dabei weiterhin bemüht, auch zumindest drei der "kleineren Fächer", die Lusitanistik ("Portugiesisch"), die Katalanistik und die Rumänistik, durch eigene Lektorate und sonstige thematisch einschlägige Lehrveranstaltungen zu berücksichtigen und so zumindest für das Gesamt des Fachs den Charakter einer Vollromanistik zu bewahren. Für die Studierenden verbindet die obligatorische zweite romanische Sprache und, insbesondere im Bereich der Sprachgeschichte und der Linguistik, eine die Einzelsprachen übergreifende Ausrichtung der Lehre das gewählte Einzelfach weiterhin mit dem Gesamtkomplex der Romanischen Philologie.
Änderung haben sich auch im Bereich der inhaltlichen "Säulen" innerhalb der jeweiligen Einzelfächer ergeben. Bestanden diese zunächst grundsätzlich aus den vier Gebieten Sprachpraxis, Landeskunde, Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft, so wurden diese durch eine deutlicher akzentuierte Kulturwissenschaft und Genderforschung sowie, insbesondere im Hinblick auf die Lehramtsfächer Französisch, Italienisch und Spanisch, durch die Fachdikatik im Sinne einer umfassenden Vermittlungswissenschaft ergänzt. Dabei wurde für den Bereich Fachdidaktik schwerpunktmäßig eine eigene Professur geschaffen, während Kulturwissenschaft und Genderforschung als Teilgebiete in die bestehenden Professuren eingegliedert wurden. Die wichtigste inhaltliche Vervollständigung des romanistischen Spektrums stellte zweifelsohne die Schaffung einer eignen Juniorprofessur dar, die die bislang auch schon vorhandene, jedoch eher partiell berücksichtigte - Lateinamerikanistik ergänzt und systematisiert.
Diese inhaltlich-systematische Gliederung erlaubt es, den Bochumer Studierenden alle romanistischen Einzeldisziplinen anzubieten und auf einem neuesten wissenschaftlichen Anforderungen genügenden Niveau studierbar zu machen. Im Bereich der vor der Aufnahme des wissenschaftlichen Studiums — eventuell benötigten — sprachlichen Propädeutika wurden systematische Absprachen mit dem Zentrum für Fremdsprachenausbildung (ZFA) getroffen.
Internationalisierung der Bochumer Romanistik
Schon sehr früh hat das Bochumer Romanische Seminar sich darum bemüht, den Studierenden ein mindestens ein- bzw. zweisemestriges Auslandsstudium an einer Universität im Land der gewählten romanischen Sprache zu ermöglichen. Dabei wurden — in einem seinerzeit keineswegs selbstverständlichen Verfahren - die im Ausland erworbenen Studienleistungen für den Bochumer Studiengang anerkannt. Hier sei insbesondere auf die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) entwickelten und großzügig finanzierten Programme des Integrierten Auslandsstudiums (IAS) verwiesen, die es ermöglichten, als durchaus privilegierte Studierende in Frankreich, Italien und Spanien zu studieren. Die mit diesen Programmen gemachten Erfahrungen bildeten dann eine wertvolle Grundlage für die Übernahme der neueren europäischen Erasmus-Programme, an denen sich das Romnische Seminar mithilfe des hiesigen Auslandsamtes aufgrund der Initiativen der Geschäftsführung und der einzelnen Lehrstühle von Anfang an in sehr großem Umfang beteiligt hat. Diese Programme erlaubten und erlauben es auch weiterhin einer Vielzahl von Studierenden - von ihrer Bochumer Heimatuniversität aus gesteuert und von der jeweiligen Gastuniversität speziell betreut — ein wissenschaftliches Studium vor Ort zu betreiben, zugleich in kaum zu überschätzender Weise Sprach- und Landeskenntnisse zu gewinnen und höchst wertvolle persönliche Kontakte zu erhalten. Aber nicht nur die sogenannten out going-, sondern auch die durch die Programmstruktur geförderten in going-Studierenden sowie der gleichfalls systemimmanente Dozentenaustausch waren und sind Elemente, die im universitären Bereich in ganz wesentlicher Weise zur wechselseitigen und vorurteilslosen Kenntnis und zum wachsenden europäischen Zusammenhalt beitragen. Darüber hinaus hat das Romanische Seminar noch speziellere Formen der gut organisierten und finanziell geförderten Zusammenarbeit mit einzelnen europäischen (und zukünftig auch außereuropäischen) Universitäten entwickelt. Für den französischen Sprachbereich ist dies die Universität Tours und für den spanischen die Universität Oviedo. Mit beiden Universitäten besteht für Bochumer Studenten die Möglichkeit eines "binationalen Abschlusses".
Im Zusammenhang mit der Internationalisierung hat sich das Romanische Seminar auch seit langem um alternative arbeitsmarktrelevante Studienelemente bemüht. So werden in regelmäßiger Abfolge Kolloquien mit dem Arbeitsamt Bochum - jetzt auch mit dem Career Service der Universität - durchgeführt, die die Studierenden schon während des Studiums auf Praktika und auch auf Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der im engeren Sinne philologischen Berufsfelder hinweisen. Einen anderen Weg stellt der Versuch dar, philologisch-romanistische Sprachkenntnisse und Landeswissen für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in einer Zusatzqualifikation zur Verfügung zu stellen. Während die Zusatzqualifikation Spanisch nach einigen erfolgreichen Jahren aus finanziellen und personellen Gründen eingestellt werden musste, gelingt es der Zusatzqualifikation Katalanisch die Initiative mit finanzieller Hilfe der katalanischen Regionalregierungerfolgreich fortzuführen.
Studienreform
Es gehört zu den Charakteristika einer Neugründung wie der Ruhr-Universität, dass sie in dem Bewusstsein lebt, dass in Zeiten geistiger Umbrüche und tiefgreifender wirtschaftlicher Umstrukturierungsprozesse, wie sie das Ruhrgebiet seit langem erfährt, auch eine permanente Notwendigkeit von Studienreformen besteht. Überlange Studienzeiten, hohe Abbrecherquoten, eine geringe Zahl von Abschlüssen insbesondere in den weniger strukturierten Magisterstudiengängen, die auch in den romanistischen Fächern wegen der seinerzeit geringen Berufsaussichten in den Lehramtsstudiengängen besonders nachgefragt waren, machten den Reformbedarf in den 90er Jahren besonders deutlich. Auf sie antwortete die Ruhr-Universität mit dem sogenannten Magisterreformmodell, an dem sich die romanistischen Studierenden und Lehrenden von Anfang an mit großem Erfolg beteiligten. Der - auch arbeitsmarktrelevante - Erfolg dieser "Reformstudierenden" hatte zur Folge, dass die Ruhr-Universität und mit ihr das Romanische Seminar nach 2000 der PISA-Reform und der Einführung der gestuften Studiengänge (Bachelor und Master) gegenüber ausgesprochen offen zeigte und sich dabei - auch im Hinblick auf das innovative Element der insbesondere berufsqualifizierenden Zusatzelemente im Optionalbereich - zweifelsohne deutschlandweit in einer Pionierposition bewegte. Dabei gelang es, im sogenannten "Bochumer Y-Modell" das herkömmliche Lehramtsstudium als Master of Education grundsätzlich in die neue BA- und MA-Struktur des Studiums zu integrieren und damit den Studierenden wichtige Optionen offen zu halten. Romanische Philologie kann innerhalb der nunmehr etablierten neuen Studienstruktur im Bereich des BA als Zweifachbachelor in 3 romanistischen Einzelfächern und im Bereich des MA als Einfachmaster in 3 romanistischen Einzelfächern sowie dem Gesamtfach "Romanische Philologie" studiert werden. Wer über diese Fächer hinaus einen romanistischen Doktorgrad erwerben möchte, dem steht an der RUB nunmehr auch ein strukturierter Promotionsstudiengang zur Verfügung.
Unter dem Schlagwort "Reform" sei schließlich darauf verwiesen, dass sich das Romanisches Seminar in den vergangenen Jahren auf dem weiten Feld der Drittmitteleinwerbung durchaus erfolgreich geschlagen hat und auch damit in personeller und sachlicher Hinsicht auf eine durchaus ansehnliche Bilanz zurückblicken kann. Zu dieser Bilanz haben zweifelsohne zwei bisweilen übersehene Institutionen der RUB beigetragen, die Universitätsbibliothek und das Rechenzentrum, die uns Philologen jenes spezifische "Laboratorium" zur Verfügung stellen, das wir als Lehrende und Studierende für unsere gemeinsame Arbeit benötigen und uns auch in der technischen Ausstattung auf der Höhe der Zeit und damit in einer in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellten Konkurrenzfähigkeit erhält.