Studieren am Romanischen Seminar der RUB in den 60er und 70er Jahren, zunächst in einem I-Gebäude und dann in GB, wie war das eigentlich? Welche Erinnerungen sind nach über 40 Jahren noch lebendig? Zu einigen romanischen Sprachen fällt mir viel, zu anderen weniger ein. Aber gerade diese unterschiedlichen Sprachen haben das Studium der Romanistik in Bochum so abwechslungsreich und interessant gestaltet.
Französisch: Zu Beginn meines Studiums habe ich mich der Sprache der Grande Nation nur zwei Semester lang mit dem Ziel gewidmet, Realschullehrerin für Französisch (und Englisch) zu werden. Später wurde das Französische nur noch einmal für die Prüfung in einer zweiten romanischen Sprache aktiviert.
Rumänisch: Das Studium des Rumänischen war an der RUB nur möglich, wenn man die französische Sprache beherrschte, denn der Lektor, Herr Buhociu, sprach so gut wie kein Deutsch. Er unterrichtete seine Muttersprache Rumänisch auf Französisch. Ein großer Teil der Übungsblätter mit der Überschrift "Zum Übersetzen" ist — im Gegensatz zu allen anderen Uni-Übungsmaterialien — bei mir zu Hause immer noch ordentlich abgeheftet.
Warum die sorgfältige Aufbewahrung dieser Übungsblätter gerechtfertigt ist, wird vielleicht durch eine kleine Kostprobe aus den von Herrn Buhociu persönlich auf Deutsch formulierten Sätzen, die wir ins Rumänische übersetzen sollten, klar.
Fleißige Studentinnen und Studenten wurden von der Rumänischen Botschaft mit einem Stipendium für einen Feriensprachkurs in Lande Ceauşescus belohnt. So gab es im Sommer 1971 einen Monat lang 8 Stunden pro Tag (außer am Sonntag) kommunistisch gedrillten, sehr effektiven Rumänischunterricht an der Universität Bukarest.
Welche Bedeutung das Rumänische am Romanischen Seminar der RUB hatte, zeigt auch die Gründung des Vereins für rumänische Sprache und Literatur, in dem viele Lehrende und Studierende lange Jahre Mitglied waren — oder vielleicht noch sind?
Portugiesisch: Mein Interesse für die portugiesische Sprache entwickelte sich erst nach dem 1. Staatsexamen. Als Gasthörerin besuchte ich einige interessante Kurse bei dem Lektor Herrn Jaime da Silva.
Italienisch: Der eigentliche Schwerpunkt meines Studiums war die Italianistik. Hatte ich doch schon vor der Immatrikulation an der Ruhr-Universität Bochum einen Ferienkurs an der Universita per Stranieri in Perugia besuchen können. Ermöglicht hatte dies der Lehrer der Italienisch-VHS-Kurse, die ich erfolgreich noch während meiner Schulzeit besucht hatte. Herr De Matteis, der später Lektor am Romanischen Seminar der RUB wurde, hatte mir ein Stipendium der Italienischen Botschaft für diesen Ferienkurs an der italienischen Uni in Perugia besorgt.
Leider war es zu Beginn meines Studiums nicht erlaubt, Italienisch als Staatsexamensfach zu studieren. Dies wurde aber möglich, nachdem ich zwei Semester Anglistik und Romanistik, d.h. Französisch, studiert hatte. Sofort ersetzte ich Französisch durch Italienisch. Das Fach Anglistik musste weiter belegt werden, denn eine Kombination der Sprachen Französisch und Italienisch mit dem Ziel, dies als Gymnasiallehrerin zu unterrichten, war nicht zugelassen.
Die Italianistik war zu dieser Zeit für Lehrende und Lernende Pionierarbeit. In diesem Fach herrschten zu Anfang paradiesische Zustände. Oft war man allein — oder maximal zu dritt — in den Seminaren und Übungen. Man musste aus diesem Grund aber immer gut vorbereitet sein, das konnte manchmal auch von Nachteil sein.
Zu den italienischen Lektorinnen und Lektoren hatte man häufig persönlichen Kontakt. So entsinne ich mich an die gratis Privatlektionen für zwei Studenten und für mich bei der Lektorin Frau Franca Frola zu Hause. Sie brachte uns Dante Alighieris Divina Commedia, Schwerpunkt Inferno, nahe. Offizielle Lehrveranstaltungen der Lektorin Frau Luciana Ziglio fanden bei gemütlichem Frühstück oder Mittagessen im Studentenheim statt.
Auch ohne Erasmus gab es viele Gelegenheiten, Italien im Rahmen des Studiums kennen zu lernen. Die Italienische Botschaft finanzierte mir einen weiteren Ferienkurs in Siena, Bafög ermöglichte mir ein Auslandssemester in Neapel. An der Universität in Bologna konnte ich einen Teil meiner Staatsarbeit schreiben.
Unvergessen bleibt auch die Exkursion des Romanischen Seminars nach Venedig und Istrien im Jahr 1970. Für das Referat "Der venezianische Stadtdialekt" interviewten wir unzählige Venezianer. Ihr Stadtdialekt wurde in unser Mikrophon gesprochen und von einem Tonband aufgezeichnet. In unserem Eifer hielten wir auch einigen venezianischen Katzen das Mikrophon mit der Frage Parla il dialetto di qui? vor die Schnurrbarthaare.
Natürlich vollzog sich der größte Teil des Studiums in ganz normalen Bahnen. Man besuchte Sprachkurse, Pro- und Hauptseminare, man hörte Vorlesungen, und der Abschluss rückte mit jedem Semester näher. 1974 wurde das erste Mal an der Ruhr-Universität Bochum eine Staatsarbeit in Italianistik abgegeben. Mit Herrn Professor Maurer hatte ich mich auf den Titel "Untersuchungen zu Dante als politischem Dichter" geeinigt. Die Prüfung des 1. Staatsexamens in Italianistik legte ich bei Herrn Professor Figge und bei Herrn Professor Maurer ab. Letzterer wird mir immer als relativ strenger Lehrer, aber äußerst angenehmer Prüfer in Erinnerung bleiben.
Am Romanischen Seminar konnte man aber nicht nur studieren. Für mich bot sich dort einige Jahre lang die Möglichkeit, erst als studentische, dann als wissenschaftliche Hilfskraft in einer äußerst angenehmen Atmosphäre und einem sehr interessanten Ambiente zu arbeiten.
Karin Jacke